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Krisenkommunikation: Wie man es richtig macht

Eine Krise kann Unternehmen nah an den Abgrund bringen. Deswegen schaue ich mal genauer hin. Was macht Krisen aus und vor allem was macht gute Krisenkommunikation aus?

Jeder hat doch ein paar spleenige, merkwürdige Vorlieben. Oder? Ich jedenfalls mag Krisenkommunikation. Zumindest, wenn man gut vorbereitet ist. Denn in einer Krise ist die normale Routine ausgesetzt, es geht jetzt um alles. In der Krisenkommunikation kommt es auf jedes Wort an und das Timing muss sitzen. Natürlich ist die Krise auch eine nervliche Belastung, schließlich ist der Ausgang der Krise ungewiss. Dennoch fasziniert mich die Krisen-PR und es gibt auch einige Parallelen zum Alltag, die jeder kennt.

Was ist das, eine Krise?

Klar, ich könnte jetzt den griechischen Wortursprung zitieren oder Wikipedia bemühen. Aber es geht noch deutlich einfacher:

Eine Krise ist ein entscheidender Moment, dessen Ausgang unklar ist.

I. Dieser Wendepunkt beeinflusst die Zukunft einer Organisation oder einer Person.
II. Die Veränderung kam von außen und ist nicht kontrollierbar. Dabei können Warnzeichen aufgetreten sein oder es passiert komplett überraschend.
III. Es ist unklar, ob es zu einem guten oder schlechten Ergebnis führt.
IV. Wir können etwas entscheiden, unsere Souveränität für einen positiven Ausgang nutzen.

In einer Krise ist uns Handlungsspielraum zwar begrenzt, aber nicht null. Meist sind in Krisen sogar Entscheidungen möglich, die zuvor undenkbar schienen. Sachzwänge, „das hat man schon immer so gemacht“ oder schlicht einfach Desinteresse haben uns vielleicht zuvor gehindert, etwas zu ändern.

Dementsprechend sind Krisen oft der Auslöser von Veränderungen. Sie sind also per se nicht schlecht, können aber durch ihre unvorhersehbare Dynamik den Fortbestand der betroffenen Organisation gefährden. Warum es manche Unternehmen überstehen, andere untergehen und wieder andere sich neu erfinden können, liegt ganz allein an der Art und Weise, wie sie mit einer Krise umgehen.

Die drei Typen im Umgang mit Krisen

Anstatt in Jugendzeitschriften herauszufinden, welche Jeansform zu mir passt, wäre es besser gewesen „Welcher Krisentyp bist Du?“ zu scoren. Denn man kann die Reaktionen auf kritische Situationen in drei Schubladen stecken:

  1. Krise? Welche Krise?
    Die erste Reaktion ist Abwehr (Reaktanz). Das Leugnen eines Problems ermöglicht mir, so zu bleiben wie ich bin. Ich streite alles ab und muss mich nicht verändern. Allerdings schieße ich mich damit recht schnell ins Abseits. Denn diejenigen, die die Veränderung annehmen, werden mich schnell als Hindernis sehen.
  2. Krise? Ja, aber ihr seid schuld!
    Dieser Typ widmet sich sofort einer vermeintlichen Ursachensuche, will in Wahrheit aber nur Schuldige herausfinden und die eigene weiße Weste beweisen. Alle anderen haben Mist gebaut, außer mir. Dieses Fingerpointing führt allerdings nur dazu, dass die anderen (bestenfalls) genervt sind. Denn auch wenn hier die Krise immerhin anerkannt wird, wird die eigene Verantwortung nicht gesehen.
  3. Krise? OK, was müssen wir tun?
    Die erste Reaktion ist fragen: Was ist passiert, wen betrifft es, was gibt es zu tun? So nähert man sich einer Lösung und erkennt den eigenen Anteil an. Das ist die Einstellung von Getting Things Done, die wir uns alle von einem Krisenmanagement wünschen. Klar können dabei Fehler passieren, aber solange aufrichtig kommuniziert wird…

Klar, Fingerpointing und Leugnen ist nicht wirklich hilfreich in einer Krise, wir alle lieben den Typ 3. Die Basics für gute Krisenkommunikation habe ich im Folgenden aus meiner Sicht dokumentiert. Doch wir steigen erstmal ein mit dem Lernen am Modell.

Drei Beispiele für Krisenkommunikation

Deepwater Horizon 2010

Es handelt sich leider um eine extreme Umweltkatastrophe, die durch eine schlecht gebaute Ölbohrplattform ausgelöst wurde. Der Umgang von BP mit dieser Krise gilt als Paradebeispiel des „So nicht“ in der Branche. Denn Unterlagen zu vernichten sowie über das Ausmaß und die Ursachen zu lügen, wird von der Öffentlichkeit denkbar schlecht aufgenommen, wenn es sich um die größte Ölpest der Geschichte handelt. Zudem hatte der Firmenchef eine Reihe von Statements abgegeben, die das Geschehene herunterspielen, keine Empathie zeigen und nachweislich unwahr waren. So wurde nachhaltig die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens beschädigt. Die Justiz belegte sie folgerichtig mit Strafzahlungen in Rekordhöhe.

Doch auch über eine Krise dieses epischen Ausmaßes legt sich nach ein paar Jahren der wohltuende Mantel des Vergessens. Zudem hat BP eine der teuersten Agenturen verpflichtet für ihre Kommunikation und informiert uns regelmäßig über den Umbau ihres gesamten Geschäftsmodells.

Flugzeugabsturz des Germanwings Fluges 9525

Wir erinnern uns an ein dramatisches Ereignis, in dem ein lebensmüder Co-Pilot 150 Personen mit in seinen Suizid riss, darunter viele Kinder. Wie schrecklich das für Angehörige und Augenzeugen gewesen sein muss, ist sicher jedem Menschen klar. Aber die Kommunikation der Fluggesellschaft war extrem gut. Innerhalb kürzester Zeit richtete Germanwings eine sogenannte „Dark Site“ ein, auf der alle bekannten Informationen sofort abrufbar waren. Schon nach einer Stunde hielten sie eine Pressekonferenz ab und gaben Auskünfte über das Flugzeug und die Mannschaft. Durch die offene und unmittelbare Kommunikation sowie die Präsenz der beiden Vorstandsvorsitzenden hat Germanwings/Lufthansa die Kommunikationshoheit sofort gewonnen. So kam die Fluggesellschaft verhältnismäßig unbeschadet aus der Krise.

Schafft ihr noch ein Beispiel?

Hilferufe in den Etiketten von Primark

Als mehrere Primark-Kunden in Irland eingenähte Hilferufe in ihrer Kleidung fanden war es 2014. Die Zettel sprachen von unmenschlichen Arbeitsbedingungen und untermauerten das fragwürdige Image der Billigmodekette. Die Geschichte ging sofort europaweit durch die Presse. Primark steckte jedoch nicht den Kopf in den Sand, sondern reagierte sofort und klärte den Sachverhalt innerhalb eines (!) Tages auf: Die Kleidungsstücke wurden in verschiedenen Jahren an unterschiedlichen Orten gekauft. Somit kam die Kleidung aus verschiedenen Fabriken – während zwei der drei Botschaften vom gleichen Urheber stammten. Primark kommunizierte dies offensiv und enttarnte die Hilferufe als Fälschung.

So wurde der Sturm der Entrüstung im Keim erstickt und für Primark entstanden keine nachhaltigen Schäden. Nachhaltigen Imageschaden gab es für Primark ebenfalls nicht, denn sie haben ihren Kunden konsequent nur ein einziges Versprechen gegeben: Unsere Kleidung ist billig. Dementsprechend gab es keine enttäuschte Erwartungshaltung. Klingt zynisch, ist aber leider so.

Darauf kommt es an in der Krisenkommunikation

Störungen haben immer Vorrang. Dementsprechend pausieren wir natürlich alle ursprünglich geplanten Vorhaben und konzentrieren uns auf die Lösung der Krise. Zumindest kann sich ein Krisenstab komplett um die Lösungsfindung kümmern, während andere das Daily Business hochhalten. Nur in der Kommunikation sollte der Alltag komplett gestoppt werden, um schiefe Wechselwirkungen von Werbeanzeigen und kritischen Inhalten zu vermeiden.

Um eine Krise zu lösen, benötigt man Sachverstand. Um in einer Krise zu kommunizieren, benötigt man Haltung.

Welche Werte für einen wichtig sind, kann natürlich jede:r selbst entscheiden. Ich empfehle einen Kanon aus Ehrlichkeit, Transparenz, Erreichbarkeit / Schnelligkeit und Empathie. Mit solch einem Leitbild ergeben sich die angemessenen Statements in der Krisenkommunikation meist von selbst.

Vorbereitung ist alles in der Krisenkommunikation

In der Krise muss es schnell gehen! Daher haben wir uns idealerweise schon vorher Gedanken gemacht, welche Krisen uns ereilen könnten. Dann können wir für jedes dieser Szenarien bereits Material vorbereiten. Von Sprachregelungen und Kommunikationskaskaden bis hin zu den Kanälen können wir vorher in Ruhe den Krisenfall durchdenken. Das schreiben wir alles schön gründlich in unseren Krisenkommunikationsplan und legen diesen für den Ernstfall in die Schublade.

Das gehört in einen Krisenkommunikationsplan (c) Anna-Maria Palzkill 2021

Wir achten auf eine Synchronizität von interner und externer Kommunikation. Die eigenen Mitarbeiter:innen sollen nicht erst aus der Zeitung erfahren, wie es um ihre Organisation steht. Daher richten wir eine interne „Single Source of Truth“ ein, in der alle Ereignisse und die dazugehörigen Sprachregelungen für alle Mitarbeiter einsehbar sind.

Das bitte vermeiden in der Krisen-PR

Wenn eine Krise länger andauert und sich Informationen im Zeitverlauf (scheinbar) widersprechen, ist es umso wichtiger, transparent zu sein. Das heißt, wir nennen möglichst die Quellen und Bedingungen für unseren aktuellen Wissensstand: „Wenn X, dann Y. Soviel können wir auf Grundlage von Z aktuell sagen.“

In diesem Zusammenhang warne ich ausdrücklich davor, Prognosen und Versprechen zu geben. Wir wissen nicht, wie sich die Dinge entwickeln! Vielleicht müssen wir gegebene Versprechen brechen – und das führt zu einem Vertrauensverlust, den wir nicht so schnell reparieren können.

Schuldzuweisungen an andere und das Kleinreden der Krise gehören ebenfalls zu den Reaktionen, die von der Öffentlichkeit als schlechte Krisenkommunikation wahrgenommen werden. Ebenso ist das Wegducken meist kein guter Plan, auch wenn es einige (wenige) durch Totstellen geschafft haben, sich aus der Affäre zu lavieren.

Nach der Krise ist vor der Krise

Im Idealfall hast Du Dich so gut durchmanövriert, dass Du extrem viel gelernt hast. Vielleicht hast Du Deine Informationssicherheit weiterentwickelt, wirst eine veraltete Technologie ersetzen oder intensivierst Dein ehrenamtliches Engagement. Auf jeden Fall hast Du Dich weiter entwickelt, wenn Du die Krise offensiv angepackt hast.

Ich empfehle Dir, ein Review zu machen mit den internen Beteiligten, wenn sich die Dinge beruhigt haben. Dann könnt ihr in Ruhe durchgehen, was ihr gelernt habt und den Krisenkommunikationsplan ergänzen.

Denn die nächste Krise kommt bestimmt.


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